Wie man es auch nennt - die Hauptsache ist, wir sehen uns und können plaudern...
Im Jahre 723 kam Bonifatius hierher - vor 1.300 Jahren...
„Sanctus, sanctus …“ hallt es im Stiftsaal der Domgemeinde zu Fritzlar.
Ein Montagabend, 19.15 Uhr. Acht Männer proben die „Messe in C“ von Bruckner. Ich habe mich in den Saal geschlichen und sitze mucksmäuschenstill in einer Fensternische. Schön klingt es schon – aber es gibt immer noch etwas zu verbessern. Einheitlich muss gesungen werden, alle im selben Tempo, im selben Rhythmus, alle in der annähernd selben Lautstärke. Die Wiederholung macht`s! Es wird immer besser. Alle sind konzentriert dabei in dieser einen Übungsstunde pro Woche. Keine ausgebildeten Sänger sind das, alle sind Laien auf diesem Gebiet, dem sängerischen Vortrag von Psalmen, gregorianischen Chorälen, Messen und was sonst noch im Kirchenjahr in der Gestaltung von Gottesdiensten zu singen ist an deutschen und lateinischen Texten. Laien? Na ja, jahrelange Erfahrung lässt zwei aus dem Team, die beiden Ältesten, sozusagen Männer der ersten Stunde, Säulen der ganzen Gruppe sein.
„Benedictus …“ leise klingt und zieht es die altehrwürdigen Mauern hoch, dass es einen erschauern lässt. Nein, Beweihräucherung ist das nicht. Aber was will man machen …..? Das haben die jetzt wirklich gut hingekriegt und der Scholachef nickt anerkennend „So lassen wir`s!“
Drei der Sänger sind noch nicht lange dabei. Die haben sich vor einiger Zeit mal durch eine Werbeaktion für die Schola ansprechen lassen, haben den Einstieg „gewagt“ – und sind immer noch da. Das wundert mich nicht. Scholaproben mögen hin und wieder anstrengend sein. Aber wohl nicht stressig. Angefüllt mit Wiederholung, Wiederholung, Wiederholung. Aber keine Schulatmosphäre. Und jeder in der halbkreisförmig aufgestellten Stuhlreihe vor dem Klavier weiß sicher um die kleinen sängerischen Schwächen, die alle haben. Aber es gibt kein böses Wort, nie einen Blick, der einen klein werden lässt. Fehler dürfen sein. Erneut Wiederholung.
Jetzt wird dass dicke, alte Scholabuch hervorgekramt. „Cantate Domino“ ist an der Reihe, „Singt dem Herrn“. Die uralten Kompositionen, gesetzt in sogenannten Hufnagelnoten mit ungewohnten „Anweisungen“ des Schreibers klingen wunderbar in großen Kirchenräumen. Wenn man es denn endlich gemeinsam erarbeitet hat. Da sind die Senioren in ihrem Element, jetzt macht sich die Routine aus 30 Jahren bemerkbar und die Jüngeren, nach und nach irgendwann dazu gestoßen, hangeln sich daran hoch – und bald stellt der Dirigent fest „Das wird was! Und drei Proben haben wir ja noch.“
Zum Schluss das Psalmenbuch. Psalmen, oh je, die alten Sprüche! Verehrter Leser, entweder weißt Du es jetzt schon besser - und überhörst den schnöden Kommentar. Oder hast Du es nicht so mit diesen heutzutage manchmal schon sonderbar klingenden Versen? Gib Dir selbst die Chance, nimm Dir Zeit und lies oder horch und denk daran, diese Lieder wurden vor weit mehr als 2000 Jahren von Menschen nach deren Gottesbild und nach deren Vorstellung über die Welt und das Leben aufgeschrieben. „Der Herr ist mein Hirte, nichts wird mir fehlen …“ Die acht Männer singen das nicht zum ersten Mal und bald hört es sich schon ganz gut an. Psalm 23. Wir sprechen heute nicht mehr so, wie Verfasser und Übersetzer. Aber – sinngemäß übertragen in unsere Zeit sind diese Zeilen immer noch aktuell und eigentlich völlig zeitlos. Und sie sind es wert, immer wieder „verkündet“ zu werden. Das – ganz bescheiden – ist, was die Schola hier tut.
Die Stunde ist `rum. Bücher einpacken, Stühle wegstellen, Klavier beiseite schieben. Vor der Tür noch eine kleine Weile reden; Männer „schnuddeln“ bekanntlich nicht, aber man will sich schließlich auch mal austauschen. Auf dem Heimweg muss ich schmunzeln: still vor mich hin summe ich die Melodie von Bruckners „Sanctus“. Ist wohl schon ein Ohrwurm geworden. Schola – tut gut.
P.S.: Die Schola ist keine geschlossene Gruppe. Wenn jemand unverbindlich „reinschnuppern“ möchte – Gäste sind, soviel ich weiß, jederzeit herzlich willkommen. Vielleicht wird ja mehr daraus.
© St. Peter, Fritzlar