Wie man es auch nennt - die Hauptsache ist, wir sehen uns und können plaudern...
Im Jahre 723 kam Bonifatius hierher - vor 1.300 Jahren...
Dieser Bericht soll ein paar Eindrücke vermitteln, wie wir Helfer den Papstbesuch erlebt haben.
Zunächst einmal: Wie wird man Helfer?
Auf den Homepages der Erzbistümer Berlin und Freiburg, auf der Seite des Bistums Erfurt und auf der extra für den Papstbesuch eingerichteten HP der DBK (Deutschen Bischofskonferenz) wurden ehrenamtliche Helfer für bestimmte Aufgabengebiete gesucht. Darauf konnte man sich bewerben, eigene Fähigkeiten ergänzen oder auch einfach dazu schreiben, was "man" nicht so gut kann (z.B. lange Stehen). Speziell nachgefragt wurden Sprachkenntnisse, das Vorhandensein von Führerscheinen und Fahrpraxis, Erfahrungen im Umgang mit Menschen mit Behinderungen etc.
Oder man wurde um eine Bewerbung gebeten. So war es bei mir. Einmal in den Akten der Organisatoren von großen Kirchenveranstaltungen geführt, bekommt man Post mit dem Hinweis, wo noch Unterstützung gebraucht wird. In meinem Fall hieß das: "Wir dürfen Deine eMail-Adresse nicht weitergeben, aber bitte bewirb Dich kurzfristig in Freiburg." Das habe ich getan.
Inhaltlich vorbereitet wurden wir über Helfer-Telegramme, Anschreiben wie Helfer- oder den Sicherheitskompass usw. Darin war u.a. die Zusammenarbeit der Dienste geregelt (Betreuungs-, Sicherheits- und Ordnungsdienste, wer ist wem gegenüber weisungsbefugt, wie gehen Evakuierung oder Räumung vonstatten, Funkdisziplin usw.), Karten mit Pilgerwegen, die Lage der Veranstaltungsorte und Zeitpläne waren abgedruckt und die grundsätzliche Haltung "Keep Smiling" erläutert. In Freiburg war überall verkündet worden, dass jeder Gast / Pilger jeden in orange gekleideten Helfer jederzeit ansprechen und um Auskünfte oder Unterstützung bitten durfte. Und dieses Angebot ist sehr gut angenommen worden.
Besonderheit bei diesem Helfereinsatz waren die hohen Anforderungen im Rahmen der Zuverlässigkeitsüberprüfungen: LKA, BKA, Verfassungsschutz und Bundesnachrichtendienst haben uns überprüft und erst nach deren Freigabe durften wir teilnehmen.
Am Freitag (23.09.2011) nach der Arbeit ging es los in Richtung Freiburg, 430 km bis zum Ziel, der Helfer-Einsatz-Zentrale (HEZ). Sie sollte bis 24 Uhr besetzt sein - gegen 23.30 Uhr war ich da. Dort erhielt ich Helferausweis, den (viermalig überarbeiteten) Einsatzplan, Kleidung, Essensmarken, Informationsmaterial und die Nummer des Klassenzimmers, in dem ich Schlafsack und Isomatte ausbreiten durfte. Mein "Zimmer" war im 5. Stock des St. Ursula Gymnasiums. 11 "Kolleginnen" waren schon vor mir dort eingezogen und hatten sich auf dem Fußboden eingerichtet.
Es hieß, alle Helfer seien in dieser Schule untergebracht, urig, aber ein echter Spaß! Handwaschbecken mit fließend kaltem Wasser im Klassenraum, fünf Toiletten am Ende des Flurs, Duschen in der Sporthalle um die Ecke. Luxus wird überbewertet...
Am Samstag früh ging es erst einmal nach unten zum Frühstück. Für alles war gesorgt, sogar an Getränke zum Mitnehmen war gedacht worden.
Dann wurde am Stadtplan geklärt, in welche Richtung man die HEZ zum Einsatzort hin verlassen musste und wir schwärmten aus.
Erster Höhepunkt des Tages war um 13.50 Uhr - als endlich das Papamobil durch die Straßen von Freiburg kam, passte kein weiteres Paar Füße an die Straßensperren. Helfer, Sicherheitskräfte und Polizei aus Deutschland und Frankreich waren auf der Straße, aber auch hinter den Absperrungen entlang des Weges verteilt, den der PAPST nehmen würde. Leider standen auf dem Weg zum Freiburger Münster viele hohe Häuser mit noch mehr Menschen in den Fenstern sitzend, jubelnd, Fähnchen schwingend, aber eben unkontrollierbar, so dass der PAPST sehr schnell durchgeroutet werden musste. Aber er hat gestrahlt und gewunken - als Pilger ein Erlebnis, für Sicherheitsleute Adrenalin pur.
Der Platz um das Freiburger Münster war Ehrengästen vorbehalten, aber man darf ja auch `mal durch eine Seitengasse schauen, dachte ich. Was mir der Zoom meines Fotoapparats gezeigt hat, war erschreckend und beruhigend zugleich. Ich blickte direkt in ein Fernglas - zwei Männer, Scharfschützen, beobachteten uns vom Dach des Freiburger Münsters aus. Den Fotoapparat habe ich daraufhin ganz langsam gesenkt...
Abends war Vigil auf dem Freiburger Messegelände. Nach drei Stationen mit der Straßenbahn und 25 Minuten Fußmarsch war der Festplatz erreicht. Die Stimmung war unbeschreiblich, eben so, wie die Jugend den PAPST feiert, wenn der gerade sagt: "Ich habe mich schon den ganzen Tag über auf euch gefreut". Feierlich, festlich, jung mit viel Musik und inständigen Gebeten wurde der Tag beschlossen.
Auch an diesem Abend habe ich meinen Schlafsack gegen Mitternacht erreicht.
Dann kam der beste Teil der ganzen Aktion: Dienst auf dem Flugplatzgelände zur Messe am Sonntag:
Dienstbeginn: 4 Uhr morgens und "bitte eine halbe Stunde vorher da sein". Das war ernst gemeint. Da um die Zeit keine S-Bahn fuhr und die HEZ in der roten Verkehrszone lag (kein Verkehr außer Polizei, Rettungswagen und PAPST) durften wir mit 45 Minuten Fußmarsch rechnen.
Als der erste Wecker in meinem Zimmer los ging, schreckten alle Frauen aus ihren Schlafsäcken auf um aus Rücksicht auf die Anderen den eigenen Wecker oder das Handy sofort abzuschalten - es war 2 Uhr und nur ein einziger Wecker hatte geklingelt. Wir hatten unchristliche Gedanken, wurden nur gebremst, weil die Frau glaubhaft versicherte, bereits um drei Uhr Dienstbeginn zu haben - auch Schlaf wird überbewertet...
Tief schwarze Nacht - ein Kollege meinte, er hätte am Abend zuvor einen kürzeren Weg zum Flugplatz gefunden. Er war sich sicher, diesen Weg auch im Dunkeln zu finden... Na ja, das hat nicht ganz geklappt. Bei unserer Ankunft waren wir 10 Minuten zu spät hatten dafür aber einen 60 minütigen Morgenspazier-marsch hinter uns.
Schnell waren die Einsatzorte gefunden und die Aufgaben verteilt, nur Pilgerbusse waren noch keine da. Dann wurde es richtig kalt. Nasses Gras und Bodennebel auf dem Flugplatzgelände und wir hatten freie Zeit. Also bin ich ein bisschen mit dem Fotoapparat umhergetigert, habe Altarraum, Papstbänke und merkwürdige Menschen fotografiert. Bis ich bemerkt habe, dass das keine Außerirdischen sondern frierende Helfer waren, die sich von den Maltesern Rettungsdecken - wie es sie in Autoverbandskästen gibt - erbeten und sich darin eingewickelt hatten. Gute Idee, also hin.
Kalt, müde, eine wärmende Decke und ein bisschen freie Zeit - natürlich habe ich ausprobiert, ob man auf den Papstbänken (5.000 Stück, je 5 m lang) ein Schläfchen halten kann. Eingewickelt in eine goldene Decke, Kopf auf den Rucksack mit dem liebevoll vorbereiteten Lunchpaket... Es ist bei dem Versuch geblieben. Ab 6 Uhr waren die ersten Interviewgäste beim Fernsehsender und die Ruhe war dahin. Und dann kamen sowieso Pilgerströme und die Sonne. Die Pilger verteilten sich nach Eintrittskarte in Ihren Feldern, die großen "Straßen" dazwischen sollten frei bleiben. Verletzte (gefallen auf dem unebenen Gelände, aber auch weil "der Zucker nicht stimmt") wurden souverän durch den schnell herbeieilenden Malteser Hilfsdienst versorgt.
Um 9.15 Uhr war es so weit. Über Funk kam die Ansage, die Absperrgitter für den Rundkurs des PAPSTES zu schließen. Noch nicht einmal Priester kamen jetzt mehr über die Straße, die das Papamobil gleich nehmen würde, weil sofort in 5-er Reihe Menschen gegen die Absperrungen drückten.
Einerseits großartig, auf dieser "Straße" so nah beim PAPST sein zu dürfen, andererseits sehr schade, da wir die Menschen zu beobachten hatten und dem PAPST den Rücken zukehren mussten. Das gewohnte Bild entlang der Strecke, auf beiden Seiten: immer ein Helfer, ein Sicherheitsmensch und ein Polizist.
Und dann kam uns wohl "jemand" zu Hilfe. Die Polizei gab die Anweisung, dass alle zivilen Kräfte sofort den Fahrweg zu verlassen hätten. Wie - wusste der Polizist aber auch nicht, fliegen zu können wäre hilfreich gewesen. Wir haben uns dann zwischen erste Hilfe Zelt und Crafter der Malteser durchgezwängt und waren schon ein bisschen traurig, jetzt so weit weg zu sein, aber dann kam ein freies Stück Absperrung zwischen Feld A3 und B3. Die Polizei bekam einen weiteren Befehl: Reihen weiter auseinander ziehen! Erst waren wir Sicherheits-Zivilisten entfernt worden und jetzt machte die Polizei selbst die Lücken noch größer?
Und dann kam das Papamobil - der PAPST langsam, ehrwürdig, segnend, mit wachen Augen.
ER hat mich angelächelt!!!
Nun wurde offensichtlich, warum mehr Platz innerhalb der Absperrung sein sollte: der PAPST ließ anhalten, schräg rechts von mir, und sich ein Kleinkind ins Papamobil reichen. PAPST, Erzbischof Zollitsch und Privatsekretär Gänswein strahlten dabei über das ganze Gesicht. Das Wort "Stimmung" ist zu klein um zu beschreiben, was hier passierte...
Der Konvoi setzte seinen Weg fort - bis zum zweiten Baby - und danach ging es durch ein Meer von Fahnen und jubelnden Gläubigen Richtung Altar und die Heilige Messe begann.
Hut ab vor den Bischöfen, die in vollem Messgewand in der prallen Sonne saßen oder standen. Die Sonne meinte es sehr gut mit uns. Während der Messe wurde es so heiß, dass dem PAPST mit einem "Kommunionsschirm" Schatten gespendet wurde.
Ergreifend, wenn 100.000 Menschen gemeinsam Eucharistie feiern, schweigen, aber auch gemeinsam das Vater Unser in lateinischer Sprache beten...
Gegen 12.30 Uhr war die Messe vorbei.
Der Fußmarsch zurück zur HEZ dauerte weit über eine Stunde. Der Weg war zwar bekannt, aber die Straßen waren mit den Pilgerströmen völlig überlastet, die größtenteils - wie ich auch - in Richtung Hauptbahnhof gehen wollten.
Mein Plan hieß etwas essen und ein kleines Schläfchen halten. Immerhin lagen noch vier Stunden Autofahrt vor mir.
Zurück in der HEZ gab es Mittagessen. Noch ein paar Gedanken mit anderen Helfern ausgetauscht und gerade, als wir zum Mittagsschläfchen aufbrechen wollten, kam noch ein ungeplanter Einsatz: Die Malteser hatten Unterstützung angefordert beim "Ausladen" von gehbehinderten Pilgern. Also wieder los.
Danach war offiziell Feierabend für uns und die Gelegenheit, über eine Stadt im Ausnahmezustand nachzudenken - keine Mülleimer in der Innenstadt, zugeschweißte Kanaldeckel, verplombte Briefkästen, Fahrräder, die nur geschoben werden durften, mein Auto in der roten Zone, vermummte Scharfschützen, Polizei jeder Gattung (Bereitschaft, SEK, auf Rädern oder zu Pferd), unseren Bundesinnenminister, den ich nur an den Herren vom BKA in seiner Begleitung erkannt habe, Pilger aus ganz Deutschland und Frankreich, ein Jubel und eine Freude...
Einen Blick ins Freiburger Münster "Unserer Lieben Frau" habe ich mir noch gestattet:
Das Freiburger Münster ist zwar auch schön, aber nicht zu vergleichen mit unserem Dom in Fritzlar, den ich nach meiner Heimkehr abends um 23.30 Uhr dankbar wiedersehen durfte.
Herzliche Grüße
Hildegard Stanjek
© St. Peter, Fritzlar