Petra Städer und Stefan Völker als Leitende der Theater-AG der Oberstufe an der Stiftsschule haben schon manche Erfahrung mit kniffligen Terminfragen für ihre Oberstufenaufführungen, vor allem wenn 80 Prozent der Schauspieler/-innen gerade im „Abi-Modus“ sind, muss man ein entsprechendes Zeitfenster abpassen. Aber die intensiven Proben haben sich gelohnt, muss man am Ende doch feststellen, dass sich das Ergebnis mal wieder sehen lassen konnte!
In diesem Jahr hat te sich die Theater AG mal wieder an eine Eigeninszenierung des dramatischen Theaters herangewagt. Dargestellt wurde die Verlogenheit der bürgerlichen Welt.
Eine gewöhnliche Hochzeitsfeier, die nach und nach aus dem Ruder läuft, ist dabei nur der Aufhänger, um sich mit den Tiefen bzw. Untiefen des Familienlebens auseinanderzusetzen. Die Lachmuskeln und das Zwerchfell des Zuschauers werden im Verlaufe des Stückes doch arg strapaziert. Doch nach und nach wechselt der Theaterbesucher die Perspektive, die ihn aus einem distanzierten Betrachter zu einem „Insider“ macht, der merkt, dass er ähnliche Ereignisse und Charaktere aus seinem eigenen Erleben in seinem persönlichen Umfeld oder der Familie kennt. Momente der peinlichen Berührung sind durch das Schauspiel durchaus intendiert und wahrscheinlich.
Da ist beispielsweise der Brautvater (Fredrik Koch), der unablässig Anekdoten aus der Vergangenheit auch über verschiedene anwesende Gäste (Amelie Jüngst, Lorena Karn) erzählen will und vergeblich von Mutter (Johanna Welk) und Tochter (Paula Tinnemann) davon abgebracht werden soll. Eine schöne Persiflage ist auch das Ehepaar, bei dem der Mann die Schläge erhält, da er nichts zur Zufriedenheit seiner Frau machen kann (André Heinzer und Emilia de Martino). Begleitet wurden die Zuschauer durch eine Kommentatorin (Marie Groß), die zu Beginn noch heitere Schnappschüsse fürs Familienalbum anfertigte.
Bevor es zum völligen Saufgelage und totaler Zerstörung der Feier kommen kann, wird das von der Braut gut gehütete Geheimnis gelüftet, dass eben diese schwanger ist, aber etwa nicht vom völlig überraschten Bräutigam (Noah Dawedeit), sondern wohl eher von eben diesem dessen Freund ( gespielt von Antonia Henkel). Die Inszenierung überzeugte mit zahlreichen Einfällen, die den Weg in die Abgründe hinter der Fassade eines scheinbar geordneten Familienlebens zeigten. So machten die Tanzeinlagen deutlich, dass es sich eher um einen Ritt auf dem Pulverfass handelt, zumal dann, wenn dieselbe Musik zur Untermalung eines handfesten Familienkrachs spielt, bei dem Stühle, Messer, Gabeln und Flaschen über die Bühne fliegen.
Endgültig wird die Verlogenheit dieser kleinbürgerlichen Welt jedoch entlarvt, als das nach der Feier feststellt, was es doch für eine schöne Hochzeitsfeier gewesen sei, über die Gäste aber schamlos lästert und sich währenddessen hemmungslos betrinkt.
Tolle Inszenierung, tolles Schauspiel, viel Spaß und lang anhaltender Applaus – Was will man mehr!?
Mitwirkende:
Braut | Paula Tinnemann |
Bräutigam | Noah Dawedeit |
Mutter | Johanna Welk |
Vater | Frederik Koch |
Gäste | Emilia de Martino, Antonia Henkel, Andre Heinzer, Amelie Jüngst, Lorena Karn |
Erzählerin | Marie Groß |
Licht / Technik | Paul-Rudolf Wichert |
Kostüme, Bühnenbild und Spielleitung | Petra Städer und Stefan Völker |
Jan-Gernot Wichert
© Stiftsschule St. Johann Amöneburg