Eine Entscheidungshilfe für unsere Sechser
Eine Entscheidungshilfe für Eltern
Sehr geehrte Eltern,
im zweiten Halbjahr des sechsten Schuljahres stehen Sie gemeinsam mit Ihrem Kind vor der Entscheidung für eine neue Fremdsprache. Spanisch und Französisch stehen als von vielen Menschen gesprochene Sprachen zur Wahl, Latein als nicht mehr verwendete Sprache. Mit diesem Text möchten wir Ihnen Entscheidungshilfen an die Hand geben.
Bei allen Überlegungen sollten Sie stets von Ihrem Kind ausgehen: Hat es Spaß an den Inhalten des Faches? Will und kann es den Anforderungen entsprechen? Bitte besprechen Sie dies mit Ihrem Kind.
Welche Wahl auch immer Sie treffen, sie gilt für die nächsten fünf Klassenstufen. Erst am Ende der Jahrgangsstufe 11 lässt sich eine Fremdsprache abwählen.
Es liegt in der Natur der Sache, dass in der klassischen Sprache Latein die Kommunikation eine Einbahnstraße ist: vom Autor eines Textes hin zum Leser. Das hat Auswirkungen auf den Unterricht und das Lernen. In den Lateinstunden fehlen weitgehend die Elemente des selbstständigen Sprechens und Schreibens in der lateinischen Sprache und folglich fehlt die Möglichkeit, sich Dinge durch eigene Textproduktion einzuprägen. Dies wird aufgefangen durch sehr vielfältige Aufgaben, deren Ziel es ist, die Regelhaftigkeit der Sprache zu erkennen und die Regeln selbst anzuwenden. Damit ist nun der wesentliche Unterschied zwischen dem Unterricht in einer modernen Sprache und dem in der klassischen Sprache Latein aufgezeigt.
Die beiden Kernaufgaben des Lateinunterrichts (LU) bestehen darin, den Lernenden die lateinische Sprache zu vermitteln, um ihnen damit gewissermaßen den Schlüssel in die Hand zu geben, der es ihnen ermöglicht, in die Kultur der Römer einzudringen. Wir Lateinlehrer sind davon überzeugt, damit einen ganz wesentlichen und unverzichtbaren Teil zur umfassenden Bildung Ihres Kindes beizutragen.
Infolgedessen lernen die Schüler im LU sehr gründlich, wie Latein als sprachliches Regelwerk funktioniert. Ein überaus erwünschter Nebeneffekt davon ist, dass damit zugleich das grammatische Grundgerüst erstellt wird, mit dessen Hilfe sich viele andere Sprachen leichter erlernen lassen. Dies zeigt sich z. B. an der Vokabel für Freund: amicus (lat.), ami (frz.), amico (ital.), amigo (port. + span.), aber auch am Aufbau eines Satzes, der immer mindestens aus Subjekt und Prädikat besteht. Die grundlegenden Regeln sind überall gleich.
Wenn Ihr Kind Latein lernt, dann lernt es zugleich auch Deutsch. Das liegt daran, dass es im LU nicht nur darum geht, einen lateinischen Text in groben Zügen, sondern so genau wie möglich zu verstehen, um ihn anschließend ebenso exakt im Deutschen wiederzugeben. Dabei sucht man ganz automatisch nach den am besten zutreffenden Ausdrücken und Satzstrukturen. Also muss man sich auch intensiv mit der deutschen Sprache beschäftigen. Kenntnisse aus dem Deutschunterricht lassen sich hier erneut verwenden. Wer sie nicht besitzt, hat nun die Gelegenheit, sie zu erwerben.
In Zeiten von fake news wird besonders deutlich, welche Bedeutung die Sprache im politischen Raum besitzt. Als Eltern und Lehrer verfolgen wir an der URS u. a. das Ziel, unsere Kinder und Lernenden zu selbstständig denkenden und handelnden Bürgern zu erziehen. Dazu gehört dann auch, ihnen auf dem Gebiet der sprachlichen Kommunikation die Möglichkeiten an die Hand zu geben, anderen den eigenen Standpunkt präzise mitzuteilen bzw. sie von ihm zu über-zeugen. Wer es selbst versteht, mit Texten umzugehen, der wird auch gegen unterschwellige Beeinflussungsversuche anderer immun sein.
Mit Hilfe der lateinischen Sprache erschließen wir den Lernenden die Kultur der Römer. Obwohl das Römische Reich in Westeuropa bereits vor gut 1500 Jahren untergegangen ist, lebt diese Kultur noch heute in Vielem weiter, darunter in der Sprache, im Christentum, im Rechtswesen, in der Philosophie, im rationalen/wissenschaftlichen Denken, in der Architektur.
Diese Themen bilden im Laufe der Zeit ein breites Spektrum ab, das unterschiedlichen Interessen gerecht wird. Manches in dieser Kultur wird uns vertraut vorkommen, z. B. das Leben in einer Stadt, manches, wie die grausamen Zirkusspiele, eher fremd und abstoßend wirken. Der erzieherische Reiz besteht nun darin, in der Auseinandersetzung mit dieser Kultur Vergleiche zu ziehen, den eigenen Weg zu suchen, die eigene Identität zu entwickeln.
Da das Römische Reich einen großen Teil Europas unter seiner Herrschaft vereint hat, hat es dort überall Spuren seiner Kultur hinterlassen. Wer das moderne Europa verstehen möchte, kommt an den Römern nicht vorbei.
Unser Schulbuch berücksichtigt all dies, indem es u. a. über das Alltagsleben in Rom und in den Provinzen informiert, Geschichten von Göttern und Helden erzählt, von den menschlichen Grunderfahrungen Liebe und Hass berichtet und in philosophische Fragen einführt.
Am Ende der fünfjährigen Lernzeit bietet Latein einen ganz handfesten Vorteil: 5 Punkte bzw. glatt ausreichende Leistungen vorausgesetzt, erwerben die Lernenden das LATINUM, das dem GROSSEN LATINUM anderer Bundesländer entspricht. Dieser Qualifikationsnachweis ist Voraussetzung für viele Studienabschlüsse, vor allem im Bereich der Geisteswissenschaften. Alle Universitäten bieten zwar Kurse zur Vorbereitung auf die staatliche Abnahme des Latinums an, jedoch handelt es sich dabei oft um Crash-Kurse, die wertvolle Studienzeit verschlingen und überaus anspruchsvoll sind.
Da es sich bei Latein nun einmal um keine gesprochene Sprache handelt, gibt es auch keinen Schüleraustausch. In der Klasse 9 werden wir aber aller Voraussicht nach eine einwöchige Fahrt nach Rom oder eine 3-Tage-Reise nach Trier anbieten, das für gut 100 Jahre die Haupt-stadt eines großen Teils des Römischen Reiches war und noch heute über eine Anzahl statt-licher und einmaliger Bauten verfügt.
Bis hierhin haben wir Ihnen das Bildungsangebot von Latein in aller Kürze dargestellt. Nun geht es um das, was Ihr Kind an Voraussetzungen mitbringen sollte, um mit Erfolg und Freude am LU teilnehmen zu können.
Unserer Erfahrung nach hängt sehr viel von Ihrem Kind ab: von seinem Spaß daran, eine fremde Sprache zu enträtseln, von seiner Neugier, von seiner Bereitschaft und Fähigkeit, Neues zu erlernen, regelmäßig und sehr genau auswendig zu lernen, Gelerntes in neuen Zusammenhängen anzuwenden, auch mal Rückschläge auszuhalten, sich selbst immer wieder zu fragen, was es kann und was es nicht kann, und entsprechend selbst darauf zu reagieren. Es kommt hinzu, dass einmal erworbene Kenntnisse nicht wieder verloren gehen dürfen. Das alles ist ziemlich anspruchsvoll und verlangt eine ganze Menge. Kann Ihr Kind das? Will es das? Es ist verlockend, die vermeintlich leichteste Sprache zu wählen. Aber bitte bedenken Sie: Problemlos wird Ihr Kind nur dann eine Sprache erlernen, wenn es die nötigen Fähigkeiten mitbringt. Fehlen diese, wird jede Sprache schwer.
Wer hilft bei der Entscheidung? Zuerst: Reden Sie mit Ihrem Kind. Dann berücksichtigen Sie die Meinung von Personen, die bereits Erfahrung mit Latein gemacht haben. Auch unsere Lehrer sind bereit, zu beraten; insbesondere diejenigen, die Ihr Kind in Deutsch und Englisch unterrichten. Fragen Sie sie, ob Ihr Kind die Eigenschaften zeigt, die für eine erfolgreiche Teilnahme am LU Voraussetzung sind.
Versuchen Sie herauszufinden, ob Ihr Kind nur deswegen seine Wahl trifft, weil es unter allen Umständen in der neuen Fremdsprache mit seinen Freunden und Freundinnen zusammen-bleiben möchte. Dieser Wunsch ist zwar überaus verständlich, aber nicht sehr zielführend.
An dieser Stelle können wir Ihnen nur eine kurze, wenn auch prägnante Entscheidungshilfe bieten. Möchten Sie sich umfangreicher informieren, so können Ihnen u. a. die folgenden Links weiterhelfen.
www.klett.de/inhalt/latein/latein-infopaket/13167
www.sueddeutsche.de/bildung/pro-lateinunterricht-die-bedeutung-bleibt
Ihrem Kind haben wir die achtteilige Reihe „Das Römerexperiment“ empfohlen. Möchten Sie hören, wie Latein gesprochen klingt, dann gibt es diese Reihe auch auf Latein als „Experimentum Romanum“. Beides ist über eine Suchmaschine leicht zu finden.
Wir Lateinlehrer und Lateinlehrerinnen hoffen, dass Sie nun im Sinne Ihres Kindes eine gut begründete Entscheidung treffen können.
Wir freuen uns darauf, Ihr Kind im Lateinunterricht begrüßen zu dürfen.
M. Löcke, N. Stei, Kl. Wefing
Lieber Schüler, liebe Schülerin,
am Ende der Klasse 6 musst Du im Gymnasialzweig nach Englisch eine zweite Fremdsprache auswählen. Das ist keine einfache Entscheidung. Du musst dich nämlich entweder für eine heute von vielen Menschen in der ganzen Welt gesprochene Sprache – Französisch oder Spanisch – oder für eine nicht mehr verwendete Sprache, nämlich Latein, entscheiden. Diese Sprache wird heute allenfalls noch als Amtssprache in der Katholischen Kirche gesprochen und geschrieben. Aber nur wenige werden Bischof oder gar Papst. Es braucht also gute Gründe, sich trotzdem fünf Jahre lang mit Latein auseinander-zusetzen.
Du lernst gründlich, wie Latein als Sprache funktioniert. Die Grammatik ist die Grundlage für alle Texte, die Dir etwas über das Leben der Römer erzählen. Die lateinische Sprache ist nämlich gewissermaßen der Schlüssel zur römischen Kultur, ohne sie bleibt sie dir weitgehend fremd und verschlossen. Bitte bedenke: Was wir hier so kurz und knapp sagen, nimmt in Wahrheit einen wichtigen Teil des Unterrichts ein.
Wenn Du Latein lernst, lernst Du gleichzeitig auch Deutsch. Wie das? Wenn Du einen in einer fremden Sprache verfassten Text in deutscher Sprache wiedergeben möchtest, suchst Du ganz automatisch nach den am besten zutreffenden deutschen Ausdrücken. Es dabei ist nicht egal, wie du dich ausdrückst. Also musst du dich auch mit der deutschen Sprache auseinander-setzen. Viele Deiner Kenntnisse aus dem Deutschunterricht kannst du hier erneut verwenden. Wenn du also lernst, deinen Gesprächspartner genauestens zu verstehen und ihm ebenso genau mitteilen zu können, was du möchtest oder nicht möchtest, ist das in allen Lebenslagen überaus nützlich.
Dabei ist es hilfreich, dass Latein häufig gar keine so ganz fremde Sprache ist. Viele Dinge sind einander ähnlich, was du schon an den folgenden Vokabeln sehen kannst: Fenster von fenestra, Terrarium von terra (Erde), Keller/Zelle von cella (Stübchen), Kerker von carcer (Gefängnis). Übrigens gilt auch für viele andere europäische Sprachen, die mit Latein verwandt sind: Die grundlegenden Regeln sind gleich.
Was gehen mich die ollen Römer an? Bei genauerem Hinsehen wirst du im Laufe der Zeit feststellen, wie sehr unsere Sprache, das Christentum, unser Rechtssystem und viele weitere Bereiche von der Kultur der Römer beeinflusst sind. Sie sind so etwas wie entfernte Verwandte. Manches im Leben der Römer wird eher vertraut wirken, wie zum Beispiel die Schule. Manches, wie die Zirkusspiele, wird dir allerdings völlig fremd vorkommen. Der Reiz besteht nun gerade darin, etwas vom römischen Alltagsleben zu erfahren und es mit deinem Leben zu vergleichen. Einiges wirst du ablehnen, anderes vielleicht einmal ausprobieren wollen. Die Beschäftigung mit dieser Kultur lädt dich geradezu ein, Vergleiche zu ziehen, dir deine Meinung zu bilden, dir deinen Weg zu suchen.
Wie läuft der Lateinunterricht ab? Da heute kaum jemand Latein spricht oder schreibt, bringen dir die Lehrer und Lehrerinnen „nur“ das laute Lesen und das Übersetzen bei. Beides findet in jeder Stunde statt. Die Aussprache des Lateinischen orientiert sich stark am Deutschen. Im Unterricht sprechen wir Deutsch miteinander.
Da es sich bei Latein nun einmal um keine gesprochene Sprache handelt, gibt es leider keinen Schüleraustausch. In der Klasse 9 werden wir aber aller Voraussicht nach eine Fahrt nach Rom oder Trier anbieten, das für gut 100 Jahre die Hauptstadt eines großen Teils des Römischen Reiches war und noch heute über eine Anzahl stattlicher und einmaliger Bauten verfügt.
Und was hab‘ ich nun davon? Am Ende der Klasse 11 wirst du dir bei ausreichenden Leistungen das LATINUM verdient haben, das Voraussetzung für viele Studiengänge an der Universität ist. Das hessische Latinum entspricht dabei dem GROSSEN LATINUM anderer Bundesländer.
Ist Latein schwer? Darauf gibt es leider keine eindeutige Antwort. Es hängt nämlich sehr viel von dir ab: von deinem Spaß daran, eine fremde Sprache zu enträtseln, von deiner Neugier, von deiner Bereitschaft und Fähigkeit, Neues zu erlernen, regelmäßig und sehr genau auswendig zu lernen, Gelerntes in immer neuen Zusammenhängen anzuwenden, auch mal Rückschläge auszuhalten, dich selbst immer wieder zu fragen, was du kannst und was du nicht kannst und entsprechend darauf zu reagieren. Das alles ist ziemlich anspruchsvoll und verlangt eine ganze Menge von dir. Kannst du das? Willst du das?
Wer hilft bei deiner Entscheidung? Hole dir Rat bei deinen Eltern oder älteren Geschwistern, die diese Entscheidung bereits getroffen haben und dir von ihren Erfahrungen berichten können. Auch deine Lehrer sind bereit, dir zu helfen; insbesondere diejenigen, die dich in Deutsch und Englisch unterrichten.
Nicht besonders hilfreich ist es, deine Entscheidung davon abhängig zu machen, unter allen Umständen in der neuen Fremdsprache mit deinen Freunden und Freundinnen zusammen zu bleiben. Die Entscheidung für Latein ist nur dann richtig, wenn du überzeugt bist, dass du allein schaffen kannst, was von dir verlangt werden wird.
Völlig daneben liegst Du, wenn Du die vermeintlich leichteste Sprache wählst. Keine Sprache ist leicht zu lernen, wenn Du nicht die beschriebenen Fähigkeiten mitbringst.
Die Römer im Netz. Wenn du dich im Netz schon einmal über die Römer informieren möchtest, dann empfehlen wir dir die achtteilige Reihe „Das Römerexperiment“. Möchtest Du hören, wie Latein gesprochen klingt, dann gibt es diese Reihe auch auf Latein als „Experimentum Romanum“. Beides findest du leicht über eine Suchmaschine.
Wir Lateinlehrer und Lateinlehrerinnen hoffen, dass du eine gut begründete Entscheidung triffst. Wir freuen uns darauf, Dich im Lateinunterricht begrüßen zu dürfen.
M. Löcke, N. Stei, Kl. Wefing
Ursulinenschule Fritzlar
Neustädter Straße 39
34560 Fritzlar
Telefon: 05622 9996-0
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