Der Vorsitzende des diözesanen Laiengremiums, Steffen Flicker, nannte Zahlen, die diese Entwicklung aufzeigen. So ist die Zahl der Katholiken auf 25 Prozent (Evangelische 23) der Bevölkerung zurückgegangen. Die Zahl derer, für die Religion keine Rolle mehr spielt („Säkulare“), liegt bei 56 Prozent der Bevölkerung. Und davon sind ein Drittel Kirchenmitglieder. Entnommen sind diese Daten der Kirchenmitglieder-Untersuchung (KMU) „Wie hältst du’s mit der Kirche“ aus dem vergangenen Jahr. Der Satz „Ich glaub nix – mir fehlt nix“ ist demnach für viele Menschen Realität. Nur vier Prozent bezeichnen sich als der Kirche eng verbunden. Und 36 Prozent der Bevölkerung sind für Kirche und Religion nicht mehr ansprechbar.
Was bedeutet das für die Kirche mit Blick auf die Zukunft? Hierzu äußerten sich bei der Vollversammlung Vertreter aus verschiedenen kirchlichen Bereichen und Aufgabenfeldern. Eine von ihnen war Nadine Leitschuh. Sie leitet seit drei Jahren die Kita St. Sebastian in Mittelkalbach. „Wir wollen den Glauben erlebbar machen“, sagt sie. Die Realität in der Kita sei geprägt von hohen Anforderungen – durch die Eltern sowie die Kinder. Hier seien sie und ihr Team Ansprechpartner. Aber: „Ich als Leiterin habe keine Ansprechpartner, hatte noch kein Mitarbeitergespräch“, so Leitschuh.
Der Bereich Kita ist für Pfarrer Joachim Hartel (Großenlüder) ein wichtiges Anliegen. Er geht regelmäßig in Kitas. „Dort lerne ich junge Familien kennen, die ich in der Grundschule und beider Erstkommunion wieder sehe.“ Wenig Verständnis hat er dafür, dass in diesem Bereich finanzielle Einschnitte für die Kirchengemeinden geschehen. „Das wird von oben auf uns Pfarreien abgewälzt“, so der Seelsorger. Und dies gelte nicht nur für den Bereich der Kitas. Auch die Verwaltung sei immer mehr überlastet, sagt der Geistliche, der eine größere Pfarrei aus bisher fünf Kirchengemeinden leitet.
Bei knapper werdenden Kassen stehen auch die Ausgaben für die katholischen Schulen im Bistum auf dem Prüfstand. Für Dr. Oswald Post, früherer Leiter der Fuldaer Marienschule, sprechen aber nicht nur die weiterhin hohen Bewerberzahlen für kirchliche Schulen. Die katholischen Schulen seien ein zunehmend wichtiger pastoraler Ort. Denn, so Post: „Dort kommen junge Menschen mit dem Evangelium in Berührung. Und die Kinder und Jugendliche werden in ihrem Glaubensleben bestärkt.“
Für Schulpfarrer Sebastian Bieber (Marianum und Marienschule Fulda) sollte dies nicht nur auf der Gefühlsebene geschehen, sondern auch durch Glauben lernen. „Sie wollen nicht nur dünne Suppe.“
Zu dem Kreis derer, die sich bei der Vollversammlung des Katholikenrats äußerten, gehörte Lioba Werner aus Kalbach. In ihrer Heimatgemeinde engagiert sie sich in der Jugendarbeit, zum Beispiel in der Messdienerarbeit. Aber auch bei Zeltlagern, bei denen Kinder dabei sind, die nicht an Gott glauben. Nach einer Woche Lagerleben einschließlich morgendlichen Lobpreises hätten diese Kinder zuhause den Lobpreis morgens weiterhin gesungen – zur Überraschung der Eltern. Oblatenpater Patrick Vey aus dem Jugendkloster auf dem Areal des Fuldaer Marianums begleitet eine Gruppe junger Menschen. Dabei freut er sich, dass die Mitglieder andere Jugendliche mitbringen zu den Treffen, also missionarisch wirken.
„Wir leben in einer spannenden Zeit. Viele sind auf der Suche nach dem richtigen Weg. Hierzu wollen wir als Akademie Angebote machen“, betonte Gunter Geiger, Direktor der Katholischen Akademie im Bistum Fulda. Die Tätigkeit beschränkt sich für Geiger nicht nur auf den Bereich der Bildung. Wichtig seien der Austausch und die Vernetzung – über den kirchlichen Tellerrand hinaus.
Generalvikar Christof Steinert und Domkapitular Thomas Renze, Leiter des Fachbereichs Pastoral– Bildung – Kultur, sind an diesem Vormittag vor allem eins: Hörende. Nach den Beiträgen aus den verschiedenen Bereichen geben sie eine Rückmeldung. Für Steinert zeige sich eine „Überlastung des Systems“ Und Besserung sei nicht in Sicht. Im Gegenteil: „Die Generation der Baby-Boomer, die stark kirchlich geprägt sind, geht in Rente.“
(Hans-Joachim Stoehr)
Kurz gefasst
Synodaler Weg
Der jüngste Brief aus Rom soll nicht das Ende des Synodalen Weg in Deutschland sein. Das bekräftigten Katholikenratsmitglied Marcus Leitschuh und Bischof Michael Gerber, die dem Synodalen Ausschuss angehören. „Die Arbeitsweise des Synodalen Ausschusses und des noch zu bildenden Synodalen Rates soll das Lehramt der Bischöfe und ihre Leitungsvollmacht nicht infrage stellen.“ Für Bischof Gerber hätte ein Scheitern des Synodalen Wegs auch Auswirkungen auf die Motivation vieler engagierter Katholikinnen und Katholiken in Deutschland, sich für den von Papst Franziskus angestoßenen weltweiten Synodalen Weg einzusetzen. Zugleich werde in anderen Regionen der Welt auf die Situation in Deutschland geschaut – in einigen Ländern gäbe es ähnliche Entwicklungen.
Neue Gremienstrukturen in Pfarreien
Ein weiteres Thema der Beratungen waren die künftigen Gremienstrukturen im Bistum Fulda. Domkapitular Thomas Renze und Dr. Annette Stechmann, Leiterin der Abteilung Kirchliches Leben und geschäftsführende Referentin für den Katholikenrat, verwiesen auf die zehn Dekanatsveranstaltungen im vergangenen Jahr, in denen der Entwurf der künftigen Gremienstrukturen vorgestellt wurde. Es gehe darum, etwa Änderungsvorschläge aufzunehmen. Dieses Vorgehen sei ein Beispiel für Synodalität, so Stechmann.
In einer Stellungnahme äußerte sich die Leitung der Arbeitsgruppe „Bistumsprozess“ des Katholikenrats kritisch zu Beratungen über Gremienstruktur.
Ernüchternde Inventur
Die Wunschliste an Aktivitäten in der Kirche ist lang. Aber weniger Kirchenmitglieder bedeuten auch weniger finanzielle Mittel. Für Dr. Joachim Hein, Mitglied im Kirchensteuerrat des Bistums, sieht die „Inventur“ daher ernüchternd aus. Hein: „Man kann etwa ein Sondervermögen Jugendpastoral machen, aber da lügen wir uns in die Tasche. Es sind Schulden.“ Vielmehr müssten Prioritäten gesetzt werden.
Umgang mit der AfD
Anders als beim Synodalen Weg waren sich die Bischöfe im Fall der AfD bei ihrer Vollversammlung einig. Der entsprechende Beschluss der Bischofskonferenz erfolgte einstimmig. „Die Partei hat einen anderen Volksbegriff als wir Kirchen“, erklärte Bischof Michael Gerber. Hier werde Volk als „Ethnos“ gedacht, als Gemeinschaft der ethnisch und kulturell Gleichen oder Ähnlichen. Demgegenüber verstehen Grundgesetz und Kirchen das Volk als „Demos“, als Gemeinschaft der Gleichberechtigten, die
auf der Grundlage der Menschen- und Bürgerrechte unsere Gesellschaft gemeinsam aufbauen und gestalten. Der Bischof rief die Mitglieder des Katholikenrats auf, bei diesen Fragen den direkten Dialog in den Gemeinden wie im persönlichen Umfeld zu suchen.
Schweigeminute für Nawalny
„Andrej Nawalny ist in Russland für die Wahrheit und die Gerechtigkeit eingetreten.“ Mit diesen Worten hat Katholikenratsmitglied Andreas Hesse zu einer Schweigeminute und Gebet eingeladen. Der Kremlkritiker war ein Tag zuvor in seiner Heimat beerdigt worden.
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