Fulda (bpf). Der neue Großkanzler der Theologischen Fakultät Fulda, Bischof Dr. Michael Gerber, würdigte am Montag im Auditorium maximum deren Beitrag zur Vermittlung des Christentums in der heutigen Zeit, in der es gelte, gegen Populismus und monokausale Erklärungen einzutreten. „Die Theologie des Christentums ist weltsensibel – auch unsere Zeit ist Gottes Zeit“, betonte der Oberhirte in seiner Schlussansprache zur akademischen Eröffnungsfeier des Studienjahres 2019/20. Angesichts gesunkener Studentenzahlen sei es wichtig, über neue Wege wie z. B. das Institut „Kirche in der Welt“ der Fakultät nachzudenken. Der Bischof dankte allen in Forschung, Lehre und Verwaltung für die theologische Wissensvermittlung, in Rückbindung an die kirchliche Tradition, in die heutige Lebenswelt der Menschen hinein.
Der Bischof sprach Prof. Dr. Tobias Hack, seit Juni 2018 Ordentlicher Professor für Moraltheologie und christliche Soziallehre in Fulda, seinen Dank für den akademischen Vortrag aus, der zugleich seine Antrittsvorlesung war. Hack, Jahrgang 1973, ein Schüler des Freiburger Theologen Prof. Dr. Eberhard Schockenhoff, sprach vor rund 100 Gästen zum Thema „Auf der Suche nach dem rechten Maß“ und stellte unter Bezugnahme auf die aktuelle Klimadebatte Überlegungen zu Verzicht, Selbstbegrenzung und Genügsamkeit an. Der Betrachtung der vierten Kardinaltugend, der des „Maßhaltens“ (lat. „temperantia“), auf der Grundlage der Schriften des hl. Thomas von Aquin und den Äußerungen von Papst Franziskus in seiner Enzyklika „Laudato si‘“ kam in seinen Ausführungen eine besondere Bedeutung zu. Die klassische Tugend des Maßhaltens, insbesondere in der aristotelisch-thomanischen Ausprägung, sei auch heute noch eine „relevante Grundhaltung“.
Vor dem Hintergrund eines seit der Aufklärung ausgeprägten Freiheitsbewusstseins des Einzelnen komme es darauf an, dass dieser sich in seiner Autonomie ernst genommen wisse. Das Ausloten in einer konkreten Situation ermögliche es ihm, sich bei Verzicht oder Maßhalten nicht als fremdbestimmt zu erleben, sondern eine autonome Entscheidung gefällt zu haben. Papst Franziskus habe wohl in seiner Enzyklika ein ähnliches Bild vor Augen, wenn er davon spreche, dass die Haltung der Genügsamkeit nicht weniger Leben bedeute, sondern eine größere Intensität des Lebens verheiße. Prof. Hack machte deutlich, dass auf dem Feld gesellschaftsrelevanter Probleme und Fragen deren Lösung nicht einfach auf das Individuum abgewälzt werden dürften, sondern rechtliche Normierung vonnöten sei. Die Suche nach dem rechten Maß bei Genuss und Konsum müsse sich stets an den jeweiligen Gegebenheiten und den Erfahrungen orientieren, „die sich immer schon an der Grenze des Maßvollen bewegen“. Orientierung biete dabei das Kriterium des hl. Thomas des „für das Leben absolut oder relativ Notwendigen“. Die Perspektive auf das Individuum ist laut Hack unter sozialethischer Hinsicht und aufgrund der ökologischen Problematik daraufhin zu erweitern, „dass als Kriterium für das rechte Maß nicht nur das gilt, was für die Vervollkommnung des je Einzelnen notwendig ist, sondern das Notwendige, das einem jeden Menschen sowie auch der nicht-menschlichen Natur zuzukommen hat“.
Nach dem Eröffnungsgottesdienst in der Kapelle des Bischöflichen Priesterseminars hatte der Rektor der Theologischen Fakultät Fulda, Monsignore Prof. Dr. Christoph Gregor Müller, Bischof Dr. Michael Gerber, Generalvikar Prof. Dr. Gerhard Stanke sowie weitere Persönlichkeiten aus Kirche, Wissenschaft und Gesellschaft willkommen geheißen. In der Eröffnungsfeier erfolgte auch die Verleihung der Diplomurkunden durch den Großkanzler an die Priesteramtskandidaten Philipp Schöppner (Giesel) und Johannes Wende (Bronnzell). Die Feier wurde musikalisch umrahmt durch Nicolai Pfeffer (Klarinette) mit Stücken von W. A. Mozart, I. Stravinsky und B. Kovacs.
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