AUFERSTEHUNG: EIN BEZIEHUNGSDRAMA
Drei Personen stehen in der Ostererzählung nach Johannes im Mittelpunkt des Geschehens, drei Personen, die unterschiedlich auf die Tatsache des leeren Grabes reagieren und dabei typische menschliche Reaktionen auf dieses einmalige Ereignis an den Tag legen.
Petrus - der uns nahe Zweifler
Da ist zunächst einmal Petrus , der trotz seiner Verleugnung in Jerusalem geblieben ist. Er ist traurig über das Scheitern seines Meisters, noch mehr aber über seine Feigheit. In dieser Situation wird er von den Frauen aufgeschreckt. Das Grab soll leer sein! Petrus will Gewissheit, läuft zum Grab und schaut hinein. Er sieht aber nur die Leinenbinden liegen und kann sich auf all das keinen Reim machen. Voller Verwunderung kehrt er zurück.
Was Petrus fehlt, ist die Fähigkeit zum Staunen, die Einsicht, dass man das Unerklärbare nicht mit dem Verstand, sondern mit dem Herzen begreifen muss. Bei ihm ist noch nichts von der Osterfreude spürbar. Stattdessen macht sich Resignation breit und Unklarheit bleibt zurück.
Viele Zeitgenossen - auch gute Christen - finden sich wahrscheinlich in Petrus wieder, insofern ist er uns vielleicht am nächsten. Denn auch wir wollen häufig Gewissheit. Glauben allein aufgrund einer Verheißung - das ist nicht die Sache des modernen Menschen. Es geht uns manchmal wie dem Mann, der in der Wüste verdurstete, weil er sich einredete, die Oase, die er mit eigenen Augen sah, sei nur eine Fata Morgana, obwohl sie echt war. Fehlen uns nicht zuweilen der Glaube, das Vertrauen, die Überzeugung, dass Gott wirklich in diese Welt eingreifen kann? Auch Petrus, der schon früher seinen Glauben an den Messias bekannt hatte, braucht angesichts des leeren Grabes gleichsam eine „Hilfe“ von außen, die leibhaftige Begegnung mit dem auferstandenen Herrn. Das mag für manchen von uns ein Trost sein.
Johannes - das staunende Kind
Die zweite Person in dem Auferstehungsdrama ist der Lieblingsjünger , der seit alter Tradition mit dem Apostel und Jünger Johannes in Verbindung gebracht wird. Auch er war zwar nicht mit den Frauen frühmorgens ans Grab gekommen, sondern bei den skeptischen Männern geblieben, nun aber rennt er, entflammt vom Hl. Geist, zum Grab und kommt noch vor Petrus dort an.
Die Erzählung hat sicherlich auch einen gemeindetheologischen Hintergrund: Die Johannesgemeinde will deutlich machen, dass man zwar Petrus, dem Fels der Kirche, der das kirchliche Amt vertritt, den Vortritt lässt (der Jünger geht nicht ins Grab hinein, sondern wartet auf Petrus), aber dass der geliebte Jünger doch den größeren Eifer und Glauben, vor allem aber die größere Liebe an den Tag legt. Im Rennen zum Grab kommt etwas von der Sehnsucht zum Ausdruck, die das ganze johanneische Schrifttum prägt, und im Unterschied zu Petrus heißt es dann auch, dass der Jünger „sah und glaubte“. Das Staunen, das Petrus fehlt und welches der Anfang der Philosophie und des Glaubens ist, hat den Lieblingsjünger ergriffen - und das ist das Entscheidende.
Man könnte das Verhalten dieses Jüngers mit dem von Kindern vergleichen. Das Rennen, Staunen, Sich-Freuen, aber auch das Zurücktreten vor dem Älteren. Hier zeigt sich eine Haltung, die für das Gottesreich von großer Bedeutung ist. Es ist der Blick durch die Tatsachen hindurch, in die Ferne und das Geheimnisvolle hinein, ein Sensus dafür, dass es noch mehr gibt, ja geben muss, als das, was uns naturwissenschaftlich vor Augen gestellt wird. Die Romantiker hatten einen solchen Blick (im Unterschied zu den Aufklärern). Vielleicht sollten wir diesen Blick wiedergewinnen, um das Ostergeheimnis in seiner Tiefe zu erfassen.
Maria - die große Liebende
Noch stärker als der Lieblingsjünger wird Maria von Magdala in das Geheimnis hineingezogen. Sie ist die Erste, die bereits am frühen Morgen zum Grab geht (was die Größe ihrer Sehnsucht offenbart) und als Erste durch die Begegnung mit dem Auferstandenen beschenkt wird. Sicherlich, auch sie zweifelt und scheint wie mit Blindheit geschlagen, wenn sie den Mann, dem sie begegnet, für den Gärtner hält und Jesus erst dadurch erkennt, dass er sie beim Namen nennt.
Was sie vor den anderen aber auszeichnet, ist ihre Ausdauer bei der Suche, die letztlich Ausdruck ihrer Liebe ist. Das zeigt sich auch daran, dass sie Jesus festhalten möchte. Sie will ihn nicht mehr loslassen, weil sie in ihm ihr Glück gefunden hat.
Maria von Magdala, die große Liebende, kann somit als die Person betrachtet werden, die das Ostergeheimnis am tiefsten und persönlichsten erfahren hat. Wir können von ihr lernen, dass es darauf ankommt, immer auf der Suche nach Gott zu sein und darin nicht nachzulassen. Auch im Hinblick auf unseren Umgang mit Trauer und Tod kann sie uns Vorbild sein. Maria stellt sich ihrer Trauer. Sie geht zum Grab und lässt sich vom Licht der Auferstehung gleichsam durchfluten. Für die Jünger, die hinter verschlossenen Türen blieben, war die Auseinandersetzung mit dem Tod des Meisters ungleich schwieriger. So sagt uns die Botschaft des Ostermorgens auch, dass wir uns dem Tod unserer lieben Verstorbenen stellen dürfen, weil Gott uns nicht verlässt. Er kommt uns als der Auferstandene entgegen und schenkt uns neue Hoffnung. Er wendet unseren Blick auf eine andere, neue Wirklichkeit.
Wo stehen wir?
Es wäre sicherlich einmal interessant zu prüfen, wo wir in diesem Auferstehungsdrama des Ostermorgens stehen.
Bin ich wie der skeptische, aber trotzdem treue Petrus?
Kann ich staunen wie Johannes, der Lieblingsjünger?
Suche ich Gott aus ganzem Herzen wie Maria von Magdala?
Wahrscheinlich steckt etwas von jedem in uns.
Doch wo ich auch stehe, ich bin eingeladen, in die Freude des Ostermorgens
einzutreten und mich vom Licht der Auferstehung erfüllen zu lassen.
Ich wünsche allen Gemeindemitgliedern der Pfarreien Witzenhausen und Hebenshausen ein gesegnetes Osterfest 2017 und die Erfahrung des Auferstandenen in ihrem Leben.
Ihr
Pfarrer Hans-Jürgen Wenner
Kpl.Osterpfarrbrief 2017 als pdf
© St. Joseph, Hebenshausen