Inhaltssuche

Suchen Sie z.B. nach Artikeln, Beiträgen usw.

Personen- und Kontaktsuche

Bistum Fulda

Osternacht 2020 Michaelskirche Fulda

Predigt von Bischof Dr. Michael Gerber

Bischof Gerber: Osterpredigt
 

- im Wortlaut -

Liebe Schwestern und Brüder!

Erdbeben – Blitz – Furcht, Wächter, die erbeben. Nicht gerade vertrauenserweckend beginnt Ostern, so wie es uns im Matthäusevangelium geschildert wird. Die bildliche Beschreibung der äußeren Umstände – sind diese nicht auch bildliche Beschreibungen von Seelenzuständen: Die Seelenlage der Frauen und Männer aus dem Umfeld Jesu an jenem Morgen des dritten Tages nach der Kreuzigung. Zugleich kann das die Seelenlage von vielen von uns charakterisieren. Wie ein Blitz aus heiterem Himmel hat uns die Krise getroffen. An Weihnachten hätte noch keiner daran gedacht. Die Wirkungen gleichen einem Erdbeben.

Durcheinander, Erdbeben, Blitz – Chaos im Seelenleben jener, die den Karfreitag miterlebt haben. Ob Matthäus hier bewusst einen Bezug setzt zum Anfang der Schöpfungsgeschichte, die wir in der ersten Lesung gehört haben? Da war davon die Rede, dass Erde wüst und wirr war, Finsternis beherrschte die Situation.

Doch dann: Es ist der Geist Gottes, der in dieses Chaos hinein eine neue Realität ermöglicht: „und Gottes Geist schwebte über dem Wasser.“ (Gen1, 2.) Wir erinnern uns: Auch im Moment der Todesfinsternis, in der Schilderung des Todes Jesu nach dem Johannesevangelium war unvermittelt vom Geist die Rede. Jesu „übergab seinen Geist.“ (Joh 19,30). In die Finsternis des Karfreitags, in das Chaos der Seelenlage der Frauen und Männer damals wie heute hat er, Jesus, bereits seinen Geist eingehaucht. „Atem Gottes wirke unter uns“. Der Kehrvers eines modernen geistlichen Liedes spiegelt die Sehnsucht einer Schöpfung, die aus den Fugen geraden ist.

Die Frauen sind an jenem Morgen unterwegs zum Grab. Doch unvermittelt bekommt der Weg der Frauen eine neue Richtung. Und – tatsächlich, erst als sie die Richtung ändern, vom Grab weggehen, begegnen sie dem Auferstandenen. Im Johannesevangelium wird das ganz ähnlich geschildert. Erst als Maria von Magdala sich umdreht, erst als sie die Perspektive ändert, sieht sie den Auferstandenen. (Vgl. Joh 20,14). Den Auferstandenen erkennen – erst auf den zweiten Blick?

Doch scheinen diese Osterevangelien oft weit weg zu sein von unserer Realität, gerade jetzt an diesem Ostermorgen 2020 mit seinen Besonderheiten. Eine Erfahrung am vergangenen Mittwochmorgen hat mir – im wahrsten Sinne des Wortes – eine neue Perspektive eröffnet:

Wir wollten mit unserem Vorbereitungsteam einen Sonnenaufgang filmen, der jetzt, begleitend zur Feier der Osternacht an geeigneter Stelle eingeblendet werden sollte. Als Drehort hatten wir eine besondere Stelle gewählt. Frühmorgens noch vor sechs Uhr stiegen wir auf einen der beiden Domtürme. Die Plattform ganz oben versprach eine herrliche Aussicht über die Stadt und hinein in die Rhön, eben dahin, wo die Sonne jetzt aufgeht. Doch als wir in der Glockenstube waren, da war die Enttäuschung groß. Wir fanden keinen Zugang, der uns hinauf auf die Plattform führte. Ein Bild für unsere Tage? Wir hätten gerne den Überblick: Wie ist die aktuelle Situation wirklich, welche konkreten Folgen sind mittel- und langfristig zu erwarten? Doch selbst die Experten suchen hier noch nach der geeigneten Plattform.

Also wählten wir eine Alternative. Der Dom weist schließlich neben den Türmen noch weitere Aussichtspunkte auf. Wir arbeiteten uns durch das Gebälk. Das war nicht so einfach, weil uns nicht gelang, die Beleuchtung zu aktivieren. So waren wir auf die Lichtfunktion unserer Handys angewiesen. Ob das nicht auch die Seelenlage der Frauen und Männer damals an jenem Ostermorgen trifft. Und – ob das nicht auch ein Bild für unsere Seelenlage ist: Wir stolpern voran. Das Licht, das uns leitet, ist bisweilen dürftig und so holen wir uns manche Beule, gehen manchen Irrweg und müssen wieder ein Stück zurück. Der Dachstuhl: Bei all den vielen Abzweigungen – irgendwo scheinen wir doch gefangen zu sein im System und ohne den Punkt zu erreichen, wo sich uns eine wirklich neue Perspektive eröffnet.

Schließlich erreichten wir doch eine Plattform im hinteren, westlichen Teil des Domes. Wir genossen die Morgenluft. Wir lauschten dem Gezwitscher der Vögel und nahmen wahr, wie die Stadt unter uns langsam erwachte. Dankbar stellten wir unsere Kamera auf. Über der Rhön zeigte sich der erste Lichtstreif.

Gespannt erwarteten wir den aufgehenden Sonnenball. Aber – wir waren im Westen des Domes und so verdeckten die beiden Domtürme den Punkt, an dem jetzt die Sonne aufging. Und doch sahen wir die aufgehende Sonne – nur auf andere Weise. Mit einem Male färbten sich die Gebäude der Stadt und die umliegenden Hügel in zartes Rot und Orange. Wir sahen nicht die Sonne – aber wir sahen, wie die aufgehende Sonne die Welt um uns in ein anderes Licht tauchte. Wir sahen nicht die Sonne – aber wir sahen ihre Wirkung.

Für mich ein österliches Bild. Nur wenige Zeuginnen und Zeugen scheinen unmittelbar den Auferstandenen gesehen zu haben. Auch waren dies offenbar nur sehr kurze Momente. Den meisten anderen Menschen und auch uns heute hat sich der Auferstandene nicht so gezeigt, wie wir es in den Osterevangelien lesen.

Und doch: Es werde Licht – so haben wir ganz am Anfang des Schöpfungsberichtes gehört. Und schrittweise, strophenweise führt uns der Schöpfungshymnus im ersten Kapitel des Buches Genesis ein in die Wirkung, die dieses Licht zeigt, in die Wirkung, die der Geist Gottes über und in der Schöpfung zeigt. Leben blüht auf.

Es werde Licht. An jenem Ostermorgen sind es nur wenige, die im Licht des Auferstandenen stehen. Doch schrittweise, fast strophenweise wird uns die Apostelgeschichte, die wir in den Lesungen der kommenden Wochen hören einführen in die bleibende Wirkung jenes Osterlichtes. Denn das ist unbestreitbar: Aus der verschreckten Schar des frühen Ostermorgens wird ein immer größer werdender Kreis von Menschen, die ihre Wege mutig gehen im Licht des Herrn. (Vgl. Jes 2,5). Aus Petrus, der nach dem Johannesevangelium atemlos am Grab ankommt wird einer, der 50 Tage später an Pfingsten bekennen wird: „Er, Jesus, hat uns seinen Geist eingehaucht, mit seinem Tod am Kreuz und auch hier und jetzt haucht er uns seinen Geist aus.

Der Weg jener Frauen und Männer damals ist auch nach dem Ostermorgen gepflastert mit Krisenmomenten. Davon erzählt uns die Apostelgeschichte sehr plastisch. Doch erfahren sie besonders in jenen Krisenmomenten die Wirkung des Osterlichtes. In der Krise wächst ungeahnt neues Leben. In der Krise wachsen sie als Persönlichkeit. Wenn wir Ostern feiern – wenn wir jetzt in die Zeit eintreten zwischen Ostern und Pfingsten, dann dürfen wir das tun in dem Glauben, dass diese Dynamik von damals auch heute lebendig wird. Die Apostelgeschichte, jene Dynamik der ersten Zeuginnen und Zeugen, sie schreibt sich weiter und sie schreibt sich hinein bis in unsere Tage.

Wir feiern jetzt in dieser Stunde, was damals an Ostern geschehen ist. Das Licht von Ostern damals strahlt hinein in unsere Zeit. Ein schönes Bild dafür ist das Fenster in der Ostapsis unserer Michaelskirche. Es dauert eine Weile, dann bricht die Sonne durch. Der Nebel, der durch den Weihrauch entsteht, kann das Licht der Sonne nicht verdecken. Im Gegenteil, dadurch werden die Strahlen nur noch besser sichtbar. Werden wir wachsam, wo im Nebel unserer Tage sich die Strahlen SEINES Lichtes auf neue Weise brechen.

Christus ist glorreich auferstanden vom Tod. Sein Licht vertreibt das Dunkel der Herzen. Amen.


12.04.2020


Bischöfliche Pressestelle
36001 Fulda / Postfach 11 53
Telefon: 0661 / 87-299 / Telefax: 87-568
Redaktion: Christof Ohnesorge

 

Bistum Fulda


Bischöfliches Generalvikariat 

Paulustor 5

36037 Fulda


 



Postfach 11 53

36001 Fulda

 



Telefon: 0661 / 87-0

Telefax: 0661 / 87-578

Karte
 


© Bistum Fulda

 

Bistum Fulda


Bischöfliches Generalvikariat 

Paulustor 5

36037 Fulda


Postfach 11 53

36001 Fulda


Telefon: 0661 / 87-0

Telefax: 0661 / 87-578




© Bistum Fulda